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Im Folgenden finden Sie neben dem Forschungsbericht auch den Link zur Umfrage. 

(http://frankfurtschool.qualtrics.com/jfe/form/SV_davcNWgsYDGZvyR)

Wie gesagt, die Studie läuft noch und das Forschungsteam würde sich sehr über Ihre – selbstverständlich auch anonym mögliche – Teilnahme freuen.

 

Digitalisierungsprojekte im Vergleich - Was macht den Unterschied?

 

Dr. Yevgen Bogodistov, Dr. Nadine Kathrin Ostern, Dr. Dietrich Alexander Herberg, Prof. Dr. Jürgen Moormann

Einleitung  

Der Begriff der Digitalisierung beschreibt die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Prozesse, Strukturen und sogar Geschäftsmodelle erneuern. Die Digitalisierung erfolgt meist in Form von Projekten, die neben allen Vorteilen oft auch erhebliche Kosten mit sich bringen. Diese Kosten beeinflussen die Entscheidung für oder wider die Umsetzung von Digitalisierungsprojekten maßgeblich.

Obwohl die Kosten der Digitalisierung erheblich und vielschichtig sind, versäumt es die derzeitige Forschung, sich insbesondere mit der Komplexität dieser Kosten auseinanderzusetzen. Es fällt auf, dass Forscher die Kosten häufig nur als eindimensionale Variable erfassen, die jedoch nur einen Teil der tatsächlichen – direkten und indirekten – Kosten widerspiegelt.   

Neben den direkten Kosten, die zum Beispiel durch die Investition in technologische Komponenten und damit zusammenhängende Kapitalkosten entstehen, gibt es mehrere Arten von indirekten Kosten. Diese können signifikante Hindernisse für die Umsetzung von Digitalisierungsprojekten darstellen. Für Unternehmen sind die indirekten Kosten eines Digitalisierungsprojekts häufig schwerer zu bestimmen und noch schwerer zu quantifizieren als die direkten Kosten. Deshalb werden die indirekten Kosten auch häufig als die “versteckten Kosten” der Digitalisierung bezeichnet.  

Im Rahmen unserer Studie untersuchen wir drei Arten von indirekten Kosten und deren Einfluss auf die Bewertung von Digitalisierungsprojekten. Aufbauend auf einer umfangreichen Literaturrecherche haben wir die folgenden drei Arten indirekter Kosten identifiziert: Organisationale Kosten bzw. Kosten, die für ein Unternehmen während der Implementierung eines Digitalisierungsprojekts entstehen, menschliche oder personenbezogene Kosten sowie relationale Kosten (Abbildung 1). Relationale Kosten entstehen auf Seiten externer Partner, die in die Digitalisierung des Unternehmens eingebunden sind.  

Basierend auf einem Online-Experiment erhalten wir Einblicke zu der Frage, welchen Einfluss die indirekten Kostenarten auf die Bewertung der vorgestellten Digitalisierungsprojekte haben. Die Analyse dieser Entscheidungen erlaubt die Identifizierung von Präferenzen unserer Teilnehmer für verschiedene Arten von indirekten Kosten. Die direkten Kosten wurden im Rahmen unserer Studie zunächst nicht berücksichtigt. 

Durchführung des Experiments  

Die Teilnahme am Experiment dauerte ca. 15 Minuten, wobei die einzelnen Entscheidungen eine hohe Konzentration sowie ein hohes Maß an mentaler Anstrengung auf Seiten unserer Teilnehmer voraussetzten. Zur Durchführung der Studie haben wir verschiedene Digitalisierungsprojekte entwickelt, die durch unterschiedliche Kombinationen von indirekten Kosten (Attribute) und Aspekten (Level) charakterisiert sind (siehe Abbildung 2).   
 

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Den Teilnehmern der Studie wurden jeweils verschiedene Paare von Digitalisierungsprojekten gezeigt (Projekt A und Projekt B), zwischen denen sie sich entscheiden mussten (Abbildung 3 zeigt ein Beispiel). Insgesamt wurden unseren Teilnehmer 16 Paare von Digitalisierungsprojekten vorgestellt. Die Projekte wurden ihnen zufällig zugewiesen (random sampling). Für jedes Projekt wurden die indirekten Kosten, aber auch die erwartete Effizienzsteigerung beschrieben. Auf diese Weise haben wir sichergestellt, dass die Projekte nicht nur auf Basis der Kosten, sondern auch auf Basis des damit einhergehenden Nutzens in Form reduzierter Prozesslaufzeit bewertet werden. Hierdurch wurde vermieden, das Projekt monetär zu bepreisen, was die Entscheidung der Teilnehmer vermutlich stark beeinflusst hätte. 

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Ergebnisse  

96 Personen mit einem Durchschnittsalter von 43,9 Jahren (Standardabweichung [SD= 9,79]) nahmen an der Studie teil. Im Durchschnitt trafen die Teilnehmer 12,7 Entscheidungen (SD= 4,92). Dabei haben nicht alle Teilnehmer alle 16 Paare von Digitalisierungsprojekten bewertet. Wenngleich dies für die Auswertung der Präferenzen unerheblich ist, konnten die Teilnehmer erst nach Beendigung der 16 Vergleiche ihre demografischen Daten angeben. Die obenstehenden demografischen Angaben repräsentieren diejenigen Teilnehmer, die Entscheidungen für alle 16 Paare von Digitalisierungsprojekten getroffen haben.  

Die durchschnittliche Arbeitserfahrung der Teilnehmer beträgt 20,3 Jahre (SD= 9,62), während die Arbeitserfahrung beim derzeitigen Arbeitgeber durchschnittlich 12,5 Jahre (SD= 7,85) beträgt. 4 Teilnehmer gaben an, Vorstandmitglied zu sein, 7 Bereichs-/Abteilungsleiter, 10 Teilnehmer sind der mittleren Managementebene zuzurechnen und 16 Teilnehmer waren Spezialisten. Darüber hinaus haben wir die Teilnehmer zu ihrer organisationalen Funktion befragt. 11 Teilnehmer gaben an, im TopManagement zu arbeiten, 4 im Front-Office, 5 im Back-Office, 1 Teilnehmer arbeitet in der Produktentwicklung, 2 in Finanzen/Controlling und 15 Teilnehmer arbeiten im Bereich der Organisation/IT.  

Abbildung 4 zeigt die Ergebnisse der Studie im Hinblick auf die organisationalen Kosten: 

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Die Abbildung 4 zeigt, dass bei einer Entscheidung zwischen zwei Digitalisierungsprojekten, wobei Projekt A durch eine temporäre Verlangsamung der Unternehmensprozesse während der Implementierung des Digitalisierungsprojekts und das alternative Projekt B durch eine außergewöhnliche Beanspruchung von Unternehmensressourcen gekennzeichnet ist, die Wahrscheinlichkeit, dass das Digitalisierungsprojekt B gewählt wird, ceteris paribus 25 Prozent höher ist. Im Gegensatz dazu bestehen keine klaren Präferenzen der Teilnehmer zwischen den Digitalisierungsprojekten, wenn ein Projekt durch eine außergewöhnliche Beanspruchung von Unternehmensressourcen charakterisiert ist und das andere Projekt durch eine Anpassung der Unternehmensstruktur. 

 Hinsichtlich der personenbezogenen Kosten ergab unsere Studie folgende Resultate:   
 

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Wie aus Abbildung 5 ersichtlich ist, sind indirekte Kosten in Form von Gehaltsanpassungen (was in Deutschland einer Gehaltserhöhung entspricht) kein Grund für Unternehmen, das Digitalisierungsprojekt A abzulehnen, wenn das Digitalisierungsprojekt B zusätzlichen Zeitaufwand von Mitarbeitern zur Umsetzung des Projekts erfordert (z.B. zur Eingabe von Daten in neue Datenbanken). Wenn die Alternative zu indirekten Kosten in Form von Gehaltsanpassungen zusätzliche Personal- oder Lernkosten von Mitarbeitern sind, dann bevorzugen die Teilnehmer letzteres. Dies lässt sich wie folgt interpretieren: Lernen wird von unseren Teilnehmern nicht als Last, sondern als Investition in die Zukunft gesehen und daher als bevorzugte Option gewählt. Höhere Personalkosten (z.B. durch die Suche nach geeignetem Personal) werden offenbar als positives Signal und starken Glauben an die Zukunft des Unternehmens interpretiert. 

Schließlich führt die Studie zu folgenden Resultaten hinsichtlich der relationalen Kosten: Wie aus Abbildung 6 ersichtlich ist, spielen die relationalen Kosten eine nur geringfügige Rolle bei der Entscheidung für oder wider eines der Digitalisierungsprojekte im Vergleich zu den operationalen und personenbezogenen Kosten. Es wird lediglich deutlich, dass die Entstehung von Spannungen innerhalb eines externen Partnerunternehmens als Mittel gesehen wird, um die Partnerorganisation zum Mitziehen anzuregen.  

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Schließlich haben wir auch die Varianz untersucht, die durch jede der indirekten Kostenarten einzeln und durch die Gesamtheit der indirekten Kosten erklärt wird. Unser Modell erklärt ca. 12 Prozent der Varianz, was darauf hindeutet, dass unsere getesteten Attribute und Level gute Prädiktoren für die von den Teilnehmern getroffenen Entscheidungen sind. 

Fazit  

In dieser Studie haben wir die indirekten Kosten der Digitalisierung untersucht. Sicherlich würden die direkten Kosten der Digitalisierung bei der Entscheidung zwischen den Projekten eine wesentliche Rolle spielen. Dennoch haben wir uns in dieser Studie bewusst auf die häufig vernachlässigten indirekten Kosten der Digitalisierung konzentriert. 

Unsere Studie hat klare Implikationen für die Praxis. Erstens, Unternehmen, die als Dienstleister ihre Unterstützung bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten anbieten, können ihr Projektangebot durch gezielte Beeinflussung der indirekten Kosten attraktiver machen. Wenn sie beispielsweise ein Projektvorgehen dahingehend modifizieren, dass eine temporäre Verlangsamung eines Prozesses ceteris paribus durch zusätzlichen IT-Aufwand vermieden werden kann, schaffen sie damit ein um 2o Prozent attraktiveres Projekt. Unsere Resultate deuten daher darauf hin, dass Dienstleister nicht in jeder Hinsicht besser sein müssen als ihre Wettbewerber. Vielmehr kommt es auf die korrekte Positionierung der Projekte sowie die gezielte Kontrolle spezifischer indirekter Kosten an, was Dienstleistern hilft, sich gegen Wettbewerber durchzusetzen.   

Zweitens, für Unternehmen, die ein Digitalisierungsprojekt innerhalb ihrer Organisation umsetzen möchten, bieten unsere Resultate ein klares Rahmenwerk. Digitalisierungsprojekte sind typischerweise vielschichtig und beinhalten verschiedene Kostenkomponenten. Die Kenntnis davon, welche indirekten Kosten als besonders kritisch wahrgenommen werden, hilft beim Projektdesign. Entweder können die besonders kritisch wahrgenommenen indirekten Kosten ganz oder teilweise vermieden werden oder es können Gegenmaßnahmen erarbeitet werden, um die negativen Effekte der indirekten Kosten zu mildern. Dies kann die Umsetzung von Projekten maßgeblich beschleunigen. Die Ergebnisse dieser Studie liefern somit ein Werkzeug, das Unternehmen hilft, die Akzeptanz von Digitalisierungsprojekten bei den Mitarbeitern zu erhöhen, indem Führungskräfte diese nun besser einschätzen und verstehen können.