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Smart Supply Chain und schnelles Lernen in der Metallindustrie

Branche: Metallindustrie

Ausgangslage des Unternehmens 

  • Aktiv in der Metallindustrie mit Schwerpunkt auf Umarbeitung von Rohmetall zu Halbfertigerzeugnissen
  • Die Käufer der Halbfertigerzeugnisse sind Geschäftskunden, es handelt sich also zu 100% um B2B-Geschäftsbeziehungen
  • Hergestellt werden Flachwalzprodukte mit diversen Weiter- und Endverarbeitungsanlagen, wie z.B. Längs-, Querteil-, Besäumungs-, Farblackier-, Befettungs- und Wärmebehandlungsanlagen
  • Die Bänder werden im Prozess vom Rohmaterial zum verkaufbaren Produkt überwiegend in mindestens zwei Werken bearbeitet – in manchen Fällen ist auch eine Umarbeit bei einer Drittfirma für spezielle Metallbehandlungenschritte erforderlich

 

Die Schmerzen

  • Verschlechterung, die Kundenzufriedenheit verschlechtert sich aufgrund einer niedrigen Liefertreue und -fähigheit; das drückt sich auch in KPIs wie OTIF (On Time in Full) und der Unzuverlässigkeit zugesagter Liefertermine selbst für bereits verspätetes Material aus
  • Die Kunden kontaktieren zur Versicherung zugesagter Liefertermine zunehmend den Kundenservice und ihre „inoffiziellen“ Kontakte in der Firma, was zu erhöhten Abstimmungs- und Koordinationsaufwänden führt – und schließlich zu langsamen Entscheidungen und häufige Änderungen der Produktionsprioritäten
  • In der Folge verlangen insbesondere Großkunden mit kritischen Anlagen Konsignationslager auf ihrem Werksgelände. Die ohnehin lange physische durchschnittliche Verweildauer des Materials von ca. 2 Monaten innerhalb der Werke der Firma übersetzt sich durch die Konsignationslager in noch höhere Buchbestände (> 2 Monate) mit massivem negativem Einfluss auf den Cash Flow

 

Interne Situation und Organisation

  • Produktionsplanung erfolgt anhand der Verkaufsvorhersagen
  • In großen Verkaufs- und Planungsrunden werden „große Pläne“ (und Versprechen) generiert, welche üblicherweise auf eine „weniger großartige Realität“ treffen, d.h. die Umsetzung hinkt den Plänen oft weit hinterher 
     -> Abweichungen in allen Aspekten: Verkäufe, Produktmix, Produktivität, Maschinenverfügbarkeiten, Bestände, etc.
  • Die Ziele und KPIs sind nicht synchronisiert und inhaltlich aufeinander abgestimmt: Werke werden anhand umgearbeiteter Tonnen gemessen. Das hat zur Folge, dass zum Monatsende hin die Produkte lokal priorisiert werden, die am schnellsten (Tonnen/Stunde) produziert werden können – und nicht die, die der Kunde (dringend) benötigt. Die Folgen sind konsequenterweise hohe versandfertige Bestände und dennoch rekordhohe Kundenaufträge, die nicht erfüllt werden können
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Komplikation und laufende Versuche / Aktionen, um eine weitere Verschlechterung zu verhindern

Aktuelles mentales Modell / Paradigmen:

  • Verstärkte Anstrengungen bei der Produktionsplanung anhand der Verkaufsvorhersagen führt zu besserer Genauigkeit
  • Wir sollten alles planen – eine detaillierte, granulare Materialplanung ist der einzige Weg, um die Komplexität und den Materialfluss zu managen
  • Alle Maschinen und Anlagen müssen so hoch wie möglich ausgelastet werden - und manchmal mit der Hoffnung auf „einen guten Monat“ zu mehr als 100% der Kapazität
  • Priorisierung und Eskalationsverhalten ist notwendig, um besser aus der Zentrale zu steuern
  • „Finger pointing“ ist die Methode, um (selbst) zu überleben

Das Management-Team steuert die Bestände zentral über den Zufluss der Rohmaterialien.
Feuerwehraktionen und ständig veränderte Prioritäten frustrieren die Organisation – quer durch alle Funktionen

 

Ansatz, die Situation wirklich zu verbessern

Durchschlagende Ziele und „True North“ (1-2 Monate)

  • Wertströme und entsprechend der „True North“-Ziele definieren
  • Massive Verbesserungsziele und „True North“ sind die Voraussetzung für eine klare gemeinsame Richtung für den gesamten Wertstrom und die Organisation. Diese müssen vom Management kommuniziert und auch selbst gelebt werden. Gerade für das Management ist auf allen Ebenen „buy-in“ nötig – aber nicht ausreichend. Die Ziele und damit verbundenen Verhaltensweisen müssen dagegen von allen vorgelebt und eingefordert werden. Die konsistente Realisierung dauert für diesen Teil tatsächlich viel länger, aber in der ersten Phase müssen die Grundlagen gelegt werden und von den „Leadern“ wirkliche Führung übernommen werden.

 

Erste Erkenntnisse (4 Monate)

  • Engpassanlage(n) mit Hilfe eines „Digitalen Zwillings“ (Digital Twin) sind identifiziert, d.h. Prozessexploration durch eine digitale Abbildungs-, Analyse- sowie Verbesserungstechnik. Dabei werden Alternativszenarien durch ein dynamisches Model betrachtet und hinsichtlich ihrer Ergebnisse bewertet. Das führt zu optimierten Prozess-Routen, Ressourcen-Allokation und Bestandsmanagementlogik im Produktionsprozess
  • Im IST gibt es eine riesige Komplexität (und SKUs) entlang der Wertschöpfungskette vom Rohmaterial zu den Halbfertigerzeugnissen
  • Die Treiber hinter den tatsächlichen Bestandssituationen sind identifiziert und verstanden
  • „Nutzen der Krisensituation“: Das Eliminieren alter Spezifikationen ist zu diesem Moment oft einfacher mit den Kunden möglich, da für den Kunden – so ironisch das klingen mag – zu diesem Zeitpunkt die Lieferfähigkeit essenziell ist und nicht das Festhalten an alten Spezifikationen; dasselbe gilt für Gut-/Schlechtreferenzteile

 

“Steps of no regret” – Verbesserungsaktionen (entlang der ersten Erkenntnisse)

  • Realistische Anlagenkapazitäten und Verfügbarkeitsannahmen treffen, mit dem Ziel auf lange Sicht gleich viele „positive“ wie „negative“ Überraschungen (= Abweichungen gegenüber Plan) zu erleben
  • Vertrauen (intern sowie beim Kunden) und kurzfristig positive Ergebnisse für ein kleines Produktsegment sicherstellen durch die Implementierung eines Supermarkts/Pull-Systems für ein hochvolumiges Produkt; andere Spezifikationen springen dann auf das erfolgreiche Pull-System auf und wollen daran partizipieren
  • Stillstandzeiten auf nicht-kritischen Anlagen
  • 100% auf Kapazitätserhöhung an den Engpassanlagen fokussieren und andere Anlagen und Aktivitäten unterordnen

 

Mittelfristige Aktionen und Verbesserungen (3-6 Monate und teilweise Umsetzung darüber hinaus)

  • Komplexität beim Rohmaterial reduzieren
  • Materialflusslogik basierend auf den kritischen Anlagen überarbeiten
  • Entkopplungspunkte implementieren, um einen Materialfluss zu etablieren
  • Aktuelle KPIs in der Organisation adaptieren und verändern, um lokale Optimierung innerhalb von Abteilungen/Funktionen zu vermeiden
  • Komplexität intern transferierter Materialien (z.B. auch Eliminierung falscher Anreize der End-Werke, dazu ist ein tiefes technisches Verständnis notwendig)
  • Teil 1: Komplexitätsreduktion bei Kundenspezifikationen (symmetrische/ asymmetrische Spezifikationen, Befettungen, etc.) voranbringen
  • Materials hin zu den Kundenspezifikationen spät differenzieren
  • Bewusstsein in der (Verkaufs-)Organisation für Komplexitätskosten schaffen

 

Weitere Bereiche: Entwicklung und Investitionen (1-3 Jahre)

  • Teil 2: Komplexitätsreduktion bei Kundenspezifikationen (symmetrische/ asymmetrische Spezifikationen, Befettungen, etc.) voranbringen
  • Materialfluss durch Anlagenflexibilisierung (z.B. Aufteilung in verschiedene Prozessschritte) verbessern
  • Legierungsstrategie und Entwicklung steuern (Vorsichtig bei der Einführung neuer Legierungen, damit man nicht mit noch mehr Legierungen endet.)
  • Anzahl von Spezifikationen im System deckeln: Für jede neue Spezifikation muss mindestens eine bestehende Spezifikation eliminiert werden
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Lösung – Was hat den Unterschied ausgemacht?

  • Führungskräfte leben und fordern die Veränderungen ein
    -> „Leaders lead the change.“
  • Auf Materialfluss fokussieren (z.B. Einführung von Entkopplungspunkten, Engpass-Management und Supermarkt-Logik)
  • Viele Kunden spüren die substanziell verbesserte Lieferfähigkeit insbesondere für Supermarkt/Pull-Produkte. Das führt zu mehr Bestellungen dieser Produkte, was der Pull-Logik weiteren Auftrieb verschafft.
  • KPIs in der Organisation sind auf ein gemeinsames Ziel ausrichtet 
    -> „True North“
  • Komplexität reduziert, z.B. durch Legierungseliminierung, interner Breiten- und Dickenstandardisierung
  • Klare Prioritätensystematik (einfach und leicht zu nutzen) für das Planungs- und Produktionsteam (ohne laufend notwendige Managemententscheidungen) implementiert
  • Die verbleibenden 30% der Produkte, die keiner Supermarkt-Logik folgen, bekommen eine längere, aber verlässliche Lieferzeit
  • Schlüsselanlagen bekommen ein Wochenrhythmus und die Leistung wird im gleichen Intervall gemessen und ggfs. Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet – auch hier wieder mit Hilfe des Digital Twin
  • Vertrauen zwischen den Wertströmen und den Kunden entsteht

 

Resultat

  • Anzahl Legierungen um 20% reduziert
  • SKU Reduzierung um 42%
  • OTIF-Verbesserung von 52% auf >90%
  • Durchschnittliche Durchlaufzeit des Materials von über 2 Monaten auf unter 1,5 Monate verringert (Turns von 6 auf 9 erhöht)
  • Kundenzufriedenheit und Vertrauen in Lieferfähigkeit massiv durch Supermarktlogik verbessert: 2 Monate Lieferzeit auf verlässlich 1 Woche reduziert
  • Durch verbessertes Kundenvertrauen in die Lieferfähigkeit wurden zusätzliche Konsignationslager vermieden und bestehenden Konsignationslager können kontinuierlich abgebaut werden
  • Entfernung der Spezifikationen, die „schon immer“ entfernt werden sollten
  • Klare, praktikable Regeln für den Materialfluss
  • Widerspruchsfreie KPIs zwischen Abteilungen und Funktionen und Ausrichtung auf Wertströme, die mit der Strategie in Einklang stehen
    -> „Global optimum not local optimum.“

 

Schlüsselerfolgsfaktoren

  • Klares Mandat des Top-Managements
  • Management unterstützt nicht nur, sondern leben die neue Systematik aktiver
  • Stakeholder wurden frühzeitig eingebunden und deren Unterstützung der Ziele sichergestellt
  • Vertrauen der internen Stakeholder in die Veränderungsmission und die Wertstromsystematik
  • Frühe sichtbare Erfolge innerhalb der Firma und mehr noch: beim Kunden!